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Alt 26.03.2007, 11:02
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KlausB KlausB ist offline
Wieder zerlegbar unterweg
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Hallo Gregor,

der Betroffene, der Geschädigte, bist Du. D.h. es kommt darauf an, was Du für ein Gefühl hast, wie diese Jugendlichen mit Dir und deinem Eigentum umgegangen sind.

Natürlich ist das, was die gemacht haben, nicht okay, so sollte das auch gar nicht klingen. Dass der auf Finderlohn aus war, hatte ich scheinbar auch überlesen... Du musst selber entscheiden, aus dem Gefühl heraus, was der Junge wollte - wollte er Schaden wiedergutmachen, oder "wertlose" Sachen zurückbringen und dafür an Bargeld rankommen. Ich weiß es nicht, das musst Du entscheiden.

Darüber, dass Gesetze (zumindest die meisten Strafgesetze) sinnvoll sind, brauchen wir nicht zu reden, da stimme ich Dir zu.

Als Anwalt (der allerdings nur in begrenztem Umfang Strafverteidigungen macht) bekommt man halt häufig die Sicht der Täter mit, ihre Motive und Beweggründe. Und gerade Jugendliche haben es sehr schwer, damit umzugehen, dass sie Mist gebaut haben. Wenn einer zu Dir kommt, um die Sachen zurückzugeben, erfordert das Mut (es macht die Sache nicht ungeschehen, und lässt die Strafbarkeit nicht entfallen, aber es wäre, wie Du ja auch richtig schreibst, schuldmindernd zu berücksichtigen). Wenn er kommt, um Dich noch ein weiteres mal abzuzocken, dann hast Du recht, dann ist das eine Frechheit.

Nun etwas, was mit deinem Fall gar nichts zu tun hat, aber weil Du von Kinderschändern geschrieben hast, hier meine Erfahrungen als Anwalt mit diesem Thema:

Was die Verteidigung von Kinderschändern angeht - das habe ich ein einziges mal gemacht.

Der Mandant kam zu mir in die Kanzlei und erzählte mir, ihm werde vorgeworfen, er habe eine 12jährige missbraucht. Er sagte (natürlich), er sei das nicht gewesen, er habe nichts gemacht. Er sei allein bei Waldarbeiten im Wald gewesen, da sei das Mädchen mit dem Fahrrad vorbeigekommen, habe sich in den Dreck geworfen und geschrien: Du tust mir was, Du tust mir was. Er habe dann nur den Kopf geschüttelt, gesagt: Spinn hier nicht rum, schau, dass Du weiter kommst! Das Mädchen sei aufgestanden und weggegangen.

Am nächsten Tag erzählt das Mädchen in der Schule ihren Freundinnen, sie sei im Wald gewesen, dort habe sie ein Mann in sein Auto gezerrt und missbraucht. Sie beschreibt das Auto und nennt das Kennzeichen. Die Freundinnen benachrichtigen die Lehrerin, diese (völlig richtig) benachrichtigt die Polizei. Die kommt mit vier Streifenwagen und der Spurensicherung zum Haus des Mandanten, nimmt ihn fest, verhört ihn, konfrontiert ihn und seine Frau mit dem Vorwurf, das Kind missbraucht zu haben. Sein Auto wird auf Faserspuren untersucht.

Direkt anschließend rede ich mit dem Mann. Als Anwalt könnte mir egal sein, ob er es war, oder nicht, ich könnte mich auf den Standpunkt zurückziehen, jeder hat das Anrecht auf eine gute Verteidigung. Aber man fragt sich bei solchen Fällen doch, wie die Wahrheit aussieht... Ich habe dem Mann nicht wirklich geglaubt. Wo ein Rauch ist, ist auch Feuer. Wird schon irgendwas gemacht haben...

Ich nehme Kontakt zur Kripo auf und sage denen erst mal, dass mein Mandant ohne mich gar nichts sagt, sonst verhören die ihn nachts um elf. Zwei Tage später bekomme ich einen Anruf von der Kripo: Ich solle den Fall vergessen. Wie, vergessen? Ja, da sei nichts dran, das Mädchen habe sich in Widersprüche verstrickt. Dabei habe die Polizeipsycholgin irgendwann festgestellt, dass das Mädchen sexuell überhaupt nicht aufgeklärt war, gar nicht wusste, wie (technisch) Sex funktioniert. Sie hat dann nach stundenlanger Befragung zugegeben, alles frei erfunden zu haben. Sie hatte am Tag zuvor in einer Fernsehsendung einen Bericht über ein missbrauchtes Kind gesehen, und wollte die gleiche Aufmerksamkeit ernten. Mein Mandant stand tatsächlich im Wald und hatte sich dem Kind noch nicht einmal genähert.

Das Schlimme an der Geschichte ist: Wenn das Mädchen aufgeklärt gewesen wäre, vielleicht sogar mal im Auto mitgefahren wäre (und man Faserspuren ihrer Kleidung gefunden hätte), vielleicht noch irgendwelche (selbst beigebrachten) Verletzungen festgestellt worden wären - der Mann hätte jahrelang gesessen.

Seit dieser Geschichte bin ich sehr vorsichtig, wenn es heisst: Aufhängen sollte man sie, die Kinderschänder! Ich habe seitdem nie wieder einen Sexualstraftäter vertreten, aber ich habe keine Probleme, es wieder zu tun. Weil ich weiß, der könnte, auch wenns im Moment nicht so aussieht, auch unschuldig sein...

Klaus
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Viele Grüße aus Passau

Klaus

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