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Alt 30.12.2006, 11:51
rotbart
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Der Tag der Kathastrophenberichte

Diesmal Hamburger Abendblatt
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Wedel Kapitän Klaus Weinack erinnert sich an das furchtbare Ereignis vor zwei Jahren
"So überstand ich den Tsunami"
Das Radar zeigte ein großes, dunkles Ding in rund 30 Seemeilen Entfernung. Weinack begriff: Dass muss eine Welle sein.
Von Jörg Frenzel

Wedel -
Wenn in diesen Tagen der tödliche Tsunami wieder zum Thema wird, der vor zwei Jahren Südostasiens Küsten heimsuchte und Tausende von Opfern forderte, dann kommen auch in Kapitän Klaus D. Weinack die alten Bilder wieder hoch. Jene Erinnerungen an die unbezwingbare Macht des Meeres. An die Wasserwand, die so plötzlich auftauchte. An das gequälte Ächzen und Stampfen seines Frachters. "Und an das Gefühl, das letzte Stündlein hat geschlagen", gesteht Kapitän aus Wedel.

Er kreuzte jahrzehntelang über die Ozeane der Welt. Doch der Tsunami, auf den er einst südlich der Indonesischen Inseln traf, gehört zu jenen Erlebnissen, die sich in seinem Kopf am stärksten eingebrannt haben. "Denn es war knapp. Verdammt knapp."

Und es war Glück an jenem Abend auf der "Starman Australia". "Normalerweise war ich um 23.30 Uhr schon lange nicht mehr auf der Brücke", berichtet der Kapitän. So ist es ein Zufall, dass er seinen Blick aufs Radargerät richtet und dieses seltsame Signal entdeckt. "Mein philippinischer Zweiter Offizier saß im Kapitänsstuhl und döste."

Das Radar zeigt ein großes, dunkles Ding in rund 30 Seemeilen Entfernung. "Land konnte es nicht sein und auch keine Wolkenwand. Es kam zu schnell näher." Ein Defekt im Gerät? Ein anderes Schiff? Unmöglich. Grübeln und das Ding rückt auf zehn Meilen heran. "Auf einen Schlag wurde mir klar: Das muss eine Welle sein! Und was für eine. Ein Tsunami!"

Vollalarm gellt durch die "Starman Australia". Sirenen jaulen und jagen die Crew aus ihren Kojen. Schotten schlagen zu, hektisch verschrauben die Sailors Türen und Klappen. Fertig, keine Minute zu früh, denn da ist der Gigant schon in Sicht.

Eine fast senkrechte Wand vom Format eines riesigen Hochhauses rollte dem Wedeler und seiner Crew entgegen. Schwarz und unaufhaltsam. Übermächtig.

Weinack weiß: Frontal und mit voller Kraft auf den Wasser-Wall zuzusteuern wäre das Verderben. Das Schiff würde zerfetzt, sobald der Bug in die Welle stößt und Wasser-Wucht gegen die Aufbauten prescht. Sie würden abgerissen, wie beim Frachter "München", dem eine Monster-Welle im Atlantik die komplette Kommandobrücke abtrennte.

Jetzt sind Weinacks Erfahrungen, die er in den langen Fahrensjahren sammelte, die an Bord der "Passat" begannen, mehr als Gold wert. Der Kapitän handelt. "Ich ließ Fahrt wegnehmen und steuerte die Welle schräg mit etwa 15 Grad an."

Da geht auch schon ein Vibrieren durchs ganze Schiff. "Dann war da dieses Geräusch, als wenn ein Jumbo über uns kreist." Langsam hebt sich der Bug, die "Starman Australia" klettert den flüssigen Berg empor. Sekunden werden zu Minuten.

Der Kapitän steuert nach Gefühl. Das Schiff steigt und steigt. Irgendwann hält Weinack den richtigen Moment für gekommen, die Kraft des mehrere Tausend PS-starken Schiffsdiesels einzusetzen, um mit dem Frachter über den Gipfel der Welle zuspringen und nicht von ihr mitgerissen zu werden. Volle Fahrt voraus - und das Schiff durchschneidet den rund sechs Meter hohen Wellenkamm, für ein, zwei Atemzüge schlagen Wassermassen und weiße Strudel über der "Starman Australia" zusammen. Dann ist Ruhe.

Die Welle wogt nach achteraus. Sanft gleitet das Schiff an ihrer Rückseite hinunter. Durchatmen. Der Kapitän lässt die Ladung kontrollieren, ein Hunderte von Tonnen schweres Spezialaggregat für eine Fabrik in Australien. Mit Tausenden von Stahl-Laschings ist es festgezurrt. Weinack: "Allein das Wasser der sechs Meter hohe Wellenspitze hatte den Metall-Koloss an Deck um einen halben Meter verrückt."

Was wäre erst gewesen, wenn die "Starman Australia" die volle Wucht des Tsunami zu spüren bekommen hätte? Kapitän Weinack winkt ab: "Daran mag ich nicht denken."

erschienen am 28. Dezember 2006
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